Wie Mode Menschen verbindet & was Bewegung für seine Kreativität bedeutet - ein Gespräch mit Raimar.

Bei ‚Bewegung macht's nicht schlimmer‘ beschäftigen wir uns monatlich mit Themen rund um Krafttraining und Entspannung. Einmal als Solo-Folge mit mir, doch nichtsdestotrotz lade ich immer wieder spannende Menschen ein, die ehrlich darüber sprechen, wie sie Training gut oder weniger gut in ihren Alltag integrieren – weil wir doch oft denken, die anderen bekommen alles einfach so hin. Vielleicht hören wir bei dem ein oder anderen, dass das gar nicht so ist.

Und ​​Raimar​​ aus Fürth war bei mir zu Besuch in meinem Studio. Er erzählte von seinen Anfängen, wie er zur Mode gekommen ist, wie sein Beruf zur Berufung wurde, welche Geschichten hinter den Marken in seinem Laden stecken, warum Mode Menschen verbindet, egal was sie machen und woher sie kommen, und wie Bewegung seine Kreativität befeuert. Kurz gesagt: Mode und Bewegung verbinden Menschen und schaffen Raum für die eigene Entwicklung. Aber beide Themen sind oft mit Angst verbunden. „Kann ich das anziehen? Falle ich damit auf?“ oder „Mit meinem Körper kann ich doch nicht trainieren.“. Wenn man jedoch Räume schafft, in denen Menschen sie selbst sein können und in denen sie wahrgenommen werden, hoffen wir, sie behutsam zu sich selbst zu führen – ob in der Mode oder im Training.


Inhalt

Wie bist du zu deinem Mode Business und überhaupt zu der Leidenschaft Mode gekommen?

Raimar: Erstmal danke, dass ich hier sein darf. Bei mir hat es jetzt eigentlich in der Arbeitswelt nach der Schule angefangen, dass ich erst mal eine Ausbildung als Fliesenleger tatsächlich gemacht habe. Und das war bei meinem besten Freund, die Eltern, mit denen ich da quasi fast groß geworden bin, die mich dann nach meiner Ausbildung gefragt haben, ob ich oder ich habe sie gefragt, ob ich dann eine Ausbildung machen würde, wie so in einem Dreh. Und dann war ich da, ich dachte mir, cool, ich mache eine Ausbildung als Fliesenleger und kann mit meinem besten Kumpel eigentlich dort arbeiten. Aber meine Arbeit dort hat vom ersten Tag an keinen Spaß gemacht, einfach weil ich zwei linke Hände habe und das einfach nicht mein Ding war. Ich habe das relativ früh gemerkt und wollte das aber natürlich durchziehen, weil ich die Verbindung zu meinem besten Kumpel und zu seinen Eltern hatte. Ich habe dann meine Ausbildung fertig gemacht, und dann war mir klar, ich muss irgendwie rauskommen. Dann bin ich durch das Modebusiness gelaufen und bin von einem Laden zum anderen gegangen und habe erst mal überall Absagen bekommen. Und ich glaube, im Nachhinein war es einfach, weil ich mir da halt nicht zu viele Gedanken gemacht habe; ich wollte unbedingt in den Einzelhandel. Mein Bruder kommt auch aus dem Einzelhandel, und ich fand es immer cool, dass er immer irgendwie Spaß daran hatte und dann auch Kunden hatte, die speziell zu ihm wollten. Und ich dachte mir, weil meine Schwester auch im Laden gearbeitet hat, ich will vielleicht Klamotten verkaufen. Ich glaube, das lag vielleicht ein bisschen daran, dass ich dörflich groß geworden bin und ich da in irgendwelche coolen Läden rein bin und dachte: „Hey, darf ich bei euch arbeiten?“ Und dann war die Antwort eigentlich immer, dass sie leider voll sind oder keinen suchen. Dann war ich so ein bisschen traurig, bin nach Hause gegangen und dachte mir, jetzt muss ich mein ganzes Leben lang einen Job machen, der mir eigentlich keinen Spaß macht. Gott sei Dank hat mich mein alter Chef trotzdem übernommen, obwohl ich relativ schwach war. Aber mein alter Chef hat gesagt, du hast den Zufall, der sich ergab, und kamst immer pünktlich. Ich weiß, dass ihr damals auch viel gefeiert habt, und er war dann trotzdem traurig, obwohl ich total schlecht in meinem Job war.

Und dann hat meine Schwester nochmal bei Crämer & Co gefragt, weil sie dort gearbeitet hat. Und dann hat der Chef damals gesagt, ich solle erst mal zum Probearbeiten kommen. Ich kann mich noch daran erinnern, ich bin da in diesen Laden rein, und die waren gerade am Umbauen. Ich habe diesen Geruch von diesem Holz, und wenn ich das rieche, erinnert es mich immer an meine erste Arbeit; tatsächlich erinnert es mich dort immer, und ich wusste, das will ich unbedingt machen. Und dann war meine, sagen wir mal, zuständige Abteilungsleiterin damals, die mich da eingeleitet hat. Sie hat mir dann so ein bisschen was über Hosen erklärt, und hier und so, und dann machen wir das. Ich habe mir die Hosen angeschaut und dachte mir, das ist super cool; die sind ja total cool, coole Story. Und wenn noch irgendwo einer kommt, habe ich mir drei Hosen rausgesucht: eine war damals Boot Cut, eine war gerade, eine war schmal. Ich dachte mir, wenn einer kommt, verkaufe ich ihm eine, weil ich mir gedacht habe, wenn ein Kunde hier reinkommt, würde er wohl irgendeine von den drei Hosen kaufen. Ja, dann habe ich gleich mal an meinem ersten Probetag eine Hose verkauft. Dann hat meine Abteilungsleiterin zum Beispiel gesagt: “Ah, was hatten wir hier halt noch nie, du bist so mehr oder weniger, du hast mir ja heute die Show gestohlen.“ Und ja, so hat das angefangen. Dann war ich da als Aushilfe, und ich wusste damals, dass ich mich als Aushilfe quasi in eine Ausbildung reinfuchsen will. Ich habe dann gleich früh angefragt: „Ich möchte gerne bei euch noch eine Ausbildung machen als Einzelhandelskaufmann.“ Dann habe ich da die Chance bekommen und relativ früh auch einen Job als Abteilungsleiter.

Das war dann eigentlich in dem Bereich Qualität. Oder was heißt Qualität? Der Laden war eigentlich schon immer so ein bisschen darauf ausgelegt, Klamotten mit einer Geschichte zu verkaufen, weil damals mein alter Chef, also der Besitzer von dem Laden, auf solche Stories über hochwertige Klamotten abgefahren ist. Er hat gesagt, er wollte sich immer mal eine Abteilung machen, wo es dann wirklich so explosiv ist, wo die Geschichte hinter den Klamotten ist. Dann wurde ich gefragt, ob ich gerne diese Abteilung machen will, und dann war ich sofort: „Ja, klar, mache ich.“ Und ja, dann wurde das immer mehr mein Hobby. In der Zeit ist mir dann aber auch schon aufgefallen, dass mir einfach Stories und Qualität wichtig sind, und dass es mir um Leute geht, die eine Geschichte erzählen oder irgendwas aus einer Passion heraus machen.

Am Anfang meiner Ausbildung kam ein Vertreter von einer Firma aus Amerika. Er macht seinen Laptop auf und zeigt, “Hier, wer wird das produziert.“ Ich hatte da vorhin den Fokus, ich wusste, dass wir die Schuhe verkaufen, aber nicht die Geschichte dahinter. Dann erzählte er, wie die produziert werden, und ich war dann so begeistert, dass ich mir heute diese Schuhe kaufe, egal ob sie mir passen oder nicht; ich habe die davor noch nie anprobiert. Aber ich fand die Story so geil, dass ich wusste, wie wir diese Schuhe haben. Und dann hat sich auf einmal auch die Studie richtig gut verkauft, weil ich den Kunden so erzählt habe, wie der Vertreter mir das erzählt hat. Und dann fanden die Kunden das natürlich auch cool. So war ich dort tatsächlich zehn Jahre.

Ich hatte dazwischen einen Bekannten, der zu mir immer gesagt hat: “Ey, Raimer, wenn du Bock hast, mal einen eigenen Laden zu machen, ich hab Kohle, ich kann dir Geld geben, und ich hab da Bock drauf.“ Und man hat halt wie so unter Freunden, das kennst du wahrscheinlich auch, immer mal wieder darüber gequatscht. So, ja, man könnte ja, aber dann müsste man wirklich den Mut haben, etwas zu machen. Ich hatte einen anderen, sagen wir mal, Kumpel, der auch aus der Modebranche kam und bei mir eingekauft hat. Der hatte auch einen guten Namen in Nürnberg, weil er bekannt war, und dadurch, dass er auch öfter mal bei mir einkaufen war, haben wir uns nochmal zum Essen verabredet.

Der eine Partner, der das Geld mitgebracht hat, hatte dann angerufen und einen freien Laden gefunden. Ich glaube, ich war damals 26. Wir schauen uns den Laden an, und dann gehen wir da halt rein. Es war aber total schwierig, ihn einzuschätzen. Es war ein relativ großer Laden, der hat 282 Quadratmeter, glaube ich. Ich dachte mir, ich schaffe das auf keinen Fall alleine; dafür fühle ich mich auch überhaupt nicht bereit. Ich frage meinen Kollegen, also den, mit dem ich essen war, und dann habe ich den halt angerufen. Ich habe gerade die Möglichkeit, einen Laden zu machen, wo ich der Einzige bin, der das machen könnte. Dann haben wir uns getroffen und den Laden angeschaut. Und dann haben wir gesagt: “Ja, geil, wir machen einen eigenen Laden.“Und dann kam Bube & König in Nürnberg. Da war es dann eigentlich so, dass es eher schwieriger war, als junger Mann in die Selbstständigkeit zu gehen. Als Junge wirst du erstmal ausgelacht. “Das wird eh nix, ihr seid viel zu jung und habt viel zu viel Konkurrenz. Wie wollt ihr das überhaupt machen?“ und das ganze Drumherum. Und natürlich hat man dann so ein bisschen, ja, jetzt keine Angst oder so, aber dann natürlich schon so, dass du dir das halt überlegt hast, noch mal, ob das richtig war. Und ja, dann haben wir den Laden halt aufgebaut, umgebaut, und dann, Gott sei Dank, eröffnet. Am ersten Tag kann man eigentlich schon sagen, dass der Laden lief, aber natürlich war das viel voraus, was wir uns aufgebaut haben. Ich meine, ich war früher auch schon einer, der versucht hat, sich mit Menschen zu vernetzen.

Und mein alter Kollege auch, der hat auch sein kleines Netzwerk, weil er hat drei, vier Stationen in Nürnberg durchgeklappert. Und dann, Gott sei Dank, konnten wir mit meinem kleinen Base anfangen, dass wir sagen, wir machen einen Laden auf und wissen eigentlich, was man mitbringen muss, um so einen Laden zu führen. Durch unsere Erfahrungen mussten wir natürlich auch viel Lehrgeld zahlen, aber wir hatten auch schon in unserem eigenen Unternehmen mit Fehlern viel Lehrgeld bezahlt, das heißt, unsere Fehler waren dann nicht so dramatisch. Wir hatten halt den kleinen Base, wo wir sagen konnten, okay, wir konnten schon mal so starten, dass wir uns ein kleines Gehalt auszahlen konnten und uns über Wasser halten konnten. Natürlich sind wir leider nicht reich geworden, aber ich erzähle das immer so gern, weil ich sage mal so, ganz am Ende meiner Zeit hatte ich als Verkäufer ein relativ gutes Gehalt. Natürlich wirst du im Verkauf nicht richtig reich, aber es war mir eigentlich scheißegal, weil ich meinen Job geliebt habe. Ich dachte mir immer: geil, dass ich dafür überhaupt Geld bekomme! Ich hatte da meine Klamotten, ich hatte meine Freunde, ich hatte geile Kunden. Und dann haben wir uns, ich kann das ja auch sagen, im ersten halben Jahr tausend Euro ausgezahlt. Ich habe mir aber vorher wie King Kong gedacht: ich habe einen geilen Laden, ich hatte ultra Spaß dran.

Da ist mir dann auch bewusst geworden, dass Geld eigentlich nicht so wichtig ist, sondern der Spaß hinter dem Ganzen, weil mir das viel mehr wert war als die Kohle. Ich hatte damals keine Kinder, ich hatte damals keine Frau. Natürlich wäre das jetzt in einer Situation mit Familie viel schwieriger oder anders, aber damals war das für mich völlig okay. Ich konnte auch als Fliesenleger schon gutes Geld verdienen, aber es war mir erst mal bewusst geworden, dass Geld wirklich nicht das Wichtigste ist. Natürlich muss man irgendwann mal anfangen, ein bisschen mehr als 1000 Euro zu verdienen, aber es war für mich völlig okay. Und dann war ich da tatsächlich neun Jahre.

Wir haben gesagt, wir wollen eigentlich Klamotten für jeden Mann kaufen, also dass du, wenn du ein Durchschnittsgehalt hast, auch mal ein Hemd haben kannst, was hundert Euro kostet, wo dann die Stoffe nachhaltig sind, dass man sagt, okay, die Stoffe sind aus Bio-Baumwolle. Aber natürlich nicht in Europa gefertigt, weil das, oder es ist halt schwierig, wenn du den Löhne hast, ich sag mal, wie in Deutschland oder in Europa, dass du das dann gar nicht für 100 Euro anbieten kannst mit hochwertigen Stoffen. Das kam dann zum Teil aus Asien, und wir hatten aber auch Klamotten da, wo du sagen kannst, okay, das sind halt so Sachen, wo du komplett sagen kannst: okay, das ist geil von der Verarbeitung, das ist geile Qualität. Dann habe ich mir gedacht, okay, ein 100-Euro-Hemd für jeden, der da Bock drauf hat, vernünftig einzukaufen, der gibt das Geld auch aus und muss jetzt kein Topverdiener sein. Das war so unsere Idee, und es lief Gott sei Dank von Tag Eins an. Also natürlich wurde es immer besser. Das ist sehr auch unser Anspruch, da immer mitzuwachsen. Aber das ging dann von Jahr zu Jahr immer besser, und man hat sich da auch reingefuchst. Es war eine tolle Zeit. Ich glaube, es hat einem auch so ein bisschen Selbstbewusstsein gegeben. Also wenn man einfach aus dem Kalten einen Laden eröffnet hätte, glaube ich, bin ich mir relativ sicher, dass es auch andere Beispiele gibt. Aber ich glaube, Selbstständigkeit gehört schon dazu; man muss Erfahrung mitbringen. Ich meine, es kann auch anders funktionieren. Es hat bestimmt bei vielen auch anders schon funktioniert, aber ich glaube einfach, so mal zu sagen, woher ich jetzt gerne Kaffee trinke und ich mache jetzt mal ein Café auf. Es sind zwei komplett unterschiedliche Paar Stiefel, ob du als Kunde dort bist und dir die Füße hochlegen kannst oder ob du hinter der Theke stehst, vor allem, wenn dein Laden läuft.

Ich meine, wenn dein Laden nicht funktioniert und du bist mal alleine, das kriegt jeder hin. Aber wenn du deinen Laden zum Laufen bekommst und da stehen auf einmal 40 Leute, und du musst auf einmal Personal einstellen und das alles in einen Hut bekommen, das sind ja noch mal ganz andere Dimensionen, die man sich so gar nicht vorstellen kann. Ich denke, einer meiner Vorteile ist, dass ich meinen Job zum Hobby gemacht habe. Also mein Job war eigentlich, ich habe meinen Job geliebt, also ich war der Verkäufer, und daraus ist mein Hobby entstanden. Ich glaube, dass das der bessere Weg ist. Ich glaube, jeder Selbstständige hat auch schon mal in die Scheiße gegriffen. Aber ich glaube, dass du dann viel, viel weniger Fehler machst und dass dir das dann hilft, weiterzumachen, weil viele auf dem Weg zerbrechen. Ich meine, man lernt ja nie aus, egal wie viel Erfahrung du hast, außer du bleibst halt stehen. Aber ich glaube, im Selbstständigen will man auch nicht stehen bleiben, sondern sich ständig weiterentwickeln.

Eva: Aber ich glaube auch, wenn Fehler entstehen, ist man, wie ich jetzt, entspannter, weil ich noch einen Job daneben habe. Das heißt, wenn ich eine Fehlentscheidung mache, ist es halt weniger problematisch.

Raimar: Das ist Erfahrung. Die muss man immer sammeln, in allen Bereichen, nicht nur im Job. Ja. Und ich sage, sonst bleiben wir ja stehen, und das ist, glaube ich, das Selbstständigen-Gen. Weiterzumachen, außer du machst dich halt spontan selbstständig und merkst nach zwei Jahren, das ist nichts für mich. Dann hast du nicht dieses Selbstständigen-Gen, weil eigentlich wäre für mich, also Gott sei Dank, habe ich noch nie etwas gemacht, was gleich in die Hose ging. Aber ich glaube, das wäre mein Ehrgeiz, zu sagen, ich mache weiter, aber halt anders. Ich versuche, meine Wege zu finden, denn wenn du für etwas brennst, kannst du ja auch mal in die Scheiße langen, und das ist ja gar kein Problem. Das gehört auch dazu.

Naja, und dann kam die Idee, “Raimar Bradt“, also meinen eigenen Laden aufzumachen. In Fürth ist die Liebe eigentlich dazu entstanden, dass ich dann meine Tochter bekommen habe und ich viel in Fürth spazieren war. Dann war da auf einmal zu Corona-Zeiten ein Laden frei. Ich schaute in die Schaufenster rein und dachte mir, was für ein schöner Laden! Und dann war es noch in der Gustavstraße, also in einer kleinen, gemütlichen Straße. Da habe ich mir schon mal Gedanken gemacht, meinen Laden aufzumachen. Zu dem Zeitpunkt habe ich wieder mit meinen Kollegen darüber gesprochen, ob das überhaupt Realität ist und ob ich die Kohle dafür habe. Das heißt, ich muss zur Bank gehen. Dann dachte ich mir, ja, ich rufe einfach mal beim Vermieter an und frage ihn, was es kostet, um überhaupt ein Gespür dafür zu bekommen, was die Preislagen sind. Dann rufe ich beim Vermieter an, erzähle ihm halt, was ich mache. Der Vermieter sagt: "Oh geil, ich habe eigentlich Bock darauf! Das, was du erzählst, ist ja total cool!" Er will, dass ich den Laden miete, und er würde mir auch vier Monate Zeit geben. Dann dachte ich mir, wow, aber auch in vier Monaten, das würde gar nicht funktionieren. Trotzdem habe ich es nicht ganz aus dem Kopf gekriegt. Bevor ich noch mal so eine Chance habe, schreibe ich an meinem Businessplan, bereite mich mal ein bisschen vor, gehe zur Bank und schaue einfach, was sich ergibt. Dann bin ich zur Bank gegangen und habe das alles erledigt. Dann kam die Zusage, und jetzt könnte ich mir meinen Traum erfüllen. Es war trotzdem immer schwierig für mich, weil es unangenehme Gespräche sind, wenn du eigentlich aus einem Job rausgehst, den du liebst, um dich weiterzuentwickeln. Natürlich war das für mich auch eine harte Entscheidung, auch gegen meine Kollegen, sage ich mal, einen eigenen Laden in Fürth zu eröffnen. Ich wollte mich dann noch mal weiterentwickeln und habe das meinen Kollegen erzählt. Das war natürlich mega cool, und wir haben uns darauf geeinigt, dass es okay ist und dass ich es halt machen kann und dass sie mir keine Steine in den Weg schmeißen.

Jetzt würde ich das Geld bekommen, und ich war aber Vater von meinem Kind, und meine Frau war zu Hause. Die Bank gab mir auf einmal das Geld. Ich meine, es ist auch schwierig, weil wir uns an einen guten Standard gewöhnt hatten, auch als Familie, weil eben Bube&König sich dann auch gelohnt hat. Dann komme ich mit so einer Idee ums Eck, und natürlich war das eher unklar, ob das überhaupt zustande kommt. Dann sagt meine Frau auf einmal, dass sie sich halt nicht mehr zu 100 % sicher ist, ob das der richtige Weg ist, dass ich jetzt in die Schulden gehe. Natürlich hat sie auch gecheckt, okay, jetzt wird es ernst, und ich ziehe das durch. Ich darf ja auch Verständnis haben, aber ich war da einfach schon in meinem Kopf zu weit und habe gesagt, ich will das jetzt unbedingt machen. Ich muss es machen, und wenn wir zusammen untergehen, gehen wir zusammen unter. Wenn es erfolgreich wird, dann feiern wir zusammen unseren Erfolg. Dann konnte ich meine Frau da zum Glück wieder überzeugen, das mitzumachen. Aber natürlich hatte ich mir auch Gedanken gemacht, klar, was passiert? Eine Frage, die ich mir bis dahin auch nie gestellt hatte. Das war dann das erste Mal, wo ich mir gedacht habe, was passiert eigentlich, wenn ich in die Insolvenz gehen sollte? Mein Konzept sollte noch viel spitzer und mit noch mehr Story sein, weil ich unbedingt mit Menschen zusammenarbeiten wollte, die nah sind, und dass sie auch ihre Story meinen Kunden erzählen können, so wie sie es mir erzählt haben. Einfach so eine Gemeinschaft von Leuten, die Bock auf etwas haben.

Das war natürlich ein Konzept, das, glaube ich, in Deutschland gar nicht so speziell gibt, dass du sagst, okay, du willst deutsche Produktionen unterstützen, du willst mit Leuten arbeiten, die da wirklich Feuer reinlegen. Das große Problem, das wir im Handwerk in Deutschland haben, ist unser Mindestlohn. Und je höher der Mindestlohn ist, was natürlich auch schön ist, umso teurer wird alles, weil wir dann zu teuer werden. Der Kunde versteht nicht mehr, warum ich für eine Tasse 30 Euro ausgeben soll, wenn ich eine Tasse für 2 Euro bekommen kann. Das macht die Sache dann immer schwierig. Ich kann das auch den Kunden erklären, und die Kunden verstehen es dann auch. Aber vielen war das nicht so klar. Die Story war dann so, dass ich mir auch gedacht habe, oh, vielleicht ist es doch zu speziell, und das in Fürth. Eigentlich hatten die Leute gesagt, dass ich sie oder mehr oder weniger verarscht hätte, weil das nicht funktionieren kann. Sogar Leute, die mir vorher gesagt hatten, Raimar, du bist der Krasseste und dass du das so auf die Beine stellst, haben dann schon zu zweifeln begonnen, ob ich nach Fürth gehen sollte. Man müsste ja eigentlich nach Berlin, wo das Ganze drumherum viel besser wäre.

Dann habe ich mir die Idee gemacht, zu meinem Bänker zu fahren und ihn zu fragen: “Kannst du mir mal sagen, was passieren würde, wenn ich privat Insolvenz gehe?“ Ich hatte sowas noch nie gemacht und mich dafür auch nicht interessiert. Was passiert mir da eigentlich? Er schaute mich an und sagte: “Ich gehe nicht davon aus, dass du Privatinsolvenz anmelden musst, sonst hätten wir dir kein Geld gegeben.“ Da er auch ein Kunde von mir war und ein bisschen miterlebt hat, was ich mache, sagte er zu mir: “Ich bin mir sicher, dass du das rockst. Ich glaube, dass du intelligent und erfahren genug bist, dass du, wenn du es mit deinem Konzept nicht schaffen solltest, weißt, was du tun musst, um es zum Laufen zu bekommen.“ In dem Moment dachte ich: Ja, geil, du hast recht! Ich kann das zum Laufen bringen. Er sagte weiter, der einzige Punkt, den ich dir nicht versprechen kann, ist deine Gesundheit. Natürlich ist Gesundheit als Selbstständiger ein Thema. Wenn du als Selbstständiger einmal krank bist, hängt da so viel dran. Also bin ich zu meinem Arzt gefahren und habe gesagt: „Ey, bitte alles einmal checken lassen.“ Ich wollte alles machen und war bereit, für die Sachen zu zahlen, auch für Dinge, für die ich noch nicht alt genug war. Ich wollte einfach ein bisschen Grundsicherheit bekommen. Dann habe ich meinen Arzt und alle anderen Ärzte in dem Monat angerufen und gesagt: “Ja, wir haben nichts entdeckt. Eigentlich bist du ein gesunder Mensch. Natürlich kann immer etwas sein, aber die größeren Sachen, die wir gecheckt haben, sind in Ordnung. Du bist fit.“ Dann dachte ich mir: Okay, jetzt habe ich eigentlich alles gemacht.Natürlich kann man nie wissen, was im Leben passiert. Als Selbstständiger kann man auch nicht ständig darüber nachdenken, denn man könnte jeden Tag überfahren werden oder an etwas erkranken. Das sind immer Gründe, warum man etwas nicht macht. Aber ich bin einfach nicht so. Ich dachte mir, jetzt kann ich meiner Familie sagen: "Ey, ich war zu dem Zeitpunkt gesund, und wenn ich gesund bleibe, wird es schon klappen.“ Ich glaube, ich bin gut genug, um die Dinge umzustellen.

Es war ja genau während der Corona-Phase. Wir haben bei Bube & König so viel Scheiße überstanden. Es war eine harte Zeit, und jetzt gehe ich nach Fürth, während die Läden immer noch voll sind und alles mit Beschränkungen, Masken und so weiter läuft. Aber ich dachte mir auch: Es gibt nie einen perfekten Zeitpunkt für die Selbstständigkeit. Das ist wie mit der Familie. Es gibt so viele coole Eltern, die es sich so lange rausschieben, weil sie sich so viele Gedanken machen. Sie denken: “Wir müssen ein Haus haben, wir müssen beide ein Einkommen haben, und es muss alles passen.“ Aber das sind oft die, die am Ende kaputtgehen, weil sie merken, dass sie keine Kinder bekommen können, und dann sind sie schon zu alt. Ich habe mir also gedacht, dass es nie den perfekten Zeitpunkt geben wird, und vielleicht ist Corona genau das richtige Zeichen, um noch einmal etwas Neues zu wagen und gleich Gas zu geben.

Eva: Ja, ich glaube, dass es zu der Zeit mit den Läden auch ein guter Zeitpunkt war. Wir haben jetzt zwar viel Leerstand, aber vielleicht war es auch der richtige Moment, um einen Laden zu eröffnen. Die Leute sind damals wahrscheinlich mehr spazieren gegangen, und das hat dazu geführt, dass ich ihn entdeckt habe.

Raimar: Genau, das ist sicherlich eine Art Schicksal, denn viele Läden waren zu dieser Zeit frei. Mir war wichtig, eine gute Beziehung zu meinem Vermieter aufzubauen und alles unter fairen Bedingungen zu gestalten. Allerdings waren die Mietpreise meiner Meinung nach oft zu hoch. Ich dachte mir, dass sich das niemand leisten kann, und das könnte auch ein Vorteil für mich sein. Die Idee war, einfach durchzuziehen. Also bin ich zu all meinen Lieferanten gefahren und habe über Instagram die Leute mitgenommen. Eine Woche vor der Eröffnung kam dann die Nachricht, dass die Einschränkungen aufgehoben wurden und wieder viele Leute auf die Fläche dürfen. Ich dachte mir: "Wow, das ist ein Zeichen!“ Am Tag der Eröffnung habe ich wirklich alles umgebaut, und das mit Hilfe meiner Connections aus den Bauarbeiterzeiten. Alte Kumpels von mir kamen vorbei und unterstützten mich, sodass wir den Boden neu machen konnten. Wir haben alles rausgerissen und neu gestaltet.

Eva: Du hast hoffentlich keine Fliesen gelegt.

Raimar: Mein Fliesenleger-Kumpel hat mir gesagt, dass er nur für mich kommt, wenn ich ihm nicht helfe, weil es dann für ihn einfacher ist. Das fand ich eher ungünstig, da ich den Laden mit Freunden und so umgebaut habe. Wir haben den Laden in drei Monaten komplett umgestaltet, und viele Leute haben gesagt, dass es unglaublich ist, was ich in dieser Zeit geschafft habe.Die Unterstützung war wirklich fantastisch, und alles war dann “on point“ und bereit. Ich war jedoch auch platt. Ich wollte mich weiterentwickeln und habe ein Warenwirtschaftssystem eingeführt. Davor hatte ich nur eine Registrierkasse, und ich tat mir sehr schwer mit den Zahlen. Ich bin einfach nicht der Typ, der acht Stunden lang an Exceltabellen arbeiten kann. Nach etwa 20 Minuten schaltet mein Kopf ab. Das Warenwirtschaftssystem war für mich echt überwältigend; ich kam oft fix und fertig nach Hause und habe bis vier Uhr morgens mit meiner Frau alles eingepflegt. Für sie war das auch Neuland, und es war eine wirklich harte Zeit für uns.

Als der Eröffnungstag endlich kam, schien die Sonne. Ich war früh aufgestanden und fühlte mich am Ende. Ich dachte mir: „Boah, heute ist mein Tag!“ Ich zog meinen Anzug an und hatte richtig gute Laune. Manchmal stehe ich früh auf und weiß einfach, dass ich einen tollen Tag haben werde. Nach all dem Stress, den vielen harten Nächten und den Zweifeln, ob das alles richtig ist, war ich überrascht, dass alles gut lief. Die Gründung war mit drei Leuten, aber letztendlich musste ich alles alleine organisieren. Natürlich hatte ich Unterstützung von meiner Schwester, meiner Frau und meinen Eltern, was super war. Aber ich merkte, dass es deutlich schwieriger war, alles allein zu managen, als mit Partnern. Ich war wirklich am Limit. Die Eröffnung war dann ein voller Erfolg. Der Laden war brechend voll. Man kann sich das nicht vorstellen, gerade kurz nach Corona. Ich dachte mir, was die Leute in Fürth von mir halten. Es war unglaublich, dass die Leute dicht gedrängt in dem Laden standen und einen Schritt machen konnten. Die Stimmung war großartig; die Leute waren gut drauf, und es schien, als würde Corona zu Ende gehen. Ich kam nach Hause und fühlte mich, als hätte ich einen riesigen Erfolg erzielt.

Am nächsten Tag wieder dasselbe. Doch dann kam der Schock: Ich dachte kurzzeitig, dass ich einen Fehler gemacht habe. Obwohl der Umsatz bombastisch war, fühlte ich mich überfordert. Es war so viel Arbeit, und die Kunden kamen rein – einige von ihnen kannte ich schon seit Jahren. Ich fragte mich: “Wie soll ich jetzt noch mit ihnen reden?“ Ich war einfach erschöpft. Ich dachte mir, was ist hier los? Es klingt so verrückt, denn das ist ja der Traum jedes Selbstständigen: einen Laden zu eröffnen, das Interesse der Leute zu wecken und dass sie kaufen. Die ersten drei, vier, fünf Tage war das auch so, aber dann kam ich nach Hause, schaute auf den Laden und dachte: „Irgendwie ist das nicht meins.“ Das Warenwirtschaftssystem war mir einfach zu viel.

Ich hatte mir das Konzept ganz anders vorgestellt. Ich wollte mir Zeit für meine Kunden nehmen, sie individuell betreuen. Ich hatte sogar einen Schneider eingeplant, um Frauen mit großer Oberweite zu helfen und ihre Wünsche zu erfüllen. Ich stellte mir vor, dass ich am Tag vier Kunden bedienen könnte und dass ich damit über die Runden kommen würde, um meine Familie zu unterstützen. Doch ich war nicht darauf vorbereitet, dass es so verrückt werden würde. Eine Woche später saß ich im Laden, und es kam einfach niemand. Ich schaute ständig auf die Uhr und wartete vergeblich. Also machte ich mir einen Kaffee mit meiner Siebträgermaschine, öffnete das Fenster, durch das ich zum Stadtpark hinausblicken konnte. Und in diesem Moment freute ich mich tatsächlich über einen eher bescheidenen Umsatz. Ich kam am Abend nach Hause und dachte: “Ich freue mich gerade über einen bescheidenen Umsatz. Ich bin verrückt!“

Eva: Aber ich glaube und dem Tag bist du wahrscheinlich auch erst richtig im Laden angekommen?

Raimar: Es hat sich nicht sofort so angefühlt; es hat wahrscheinlich länger gedauert. Das erste halbe Jahr fühlte ich mich wie eine Aushilfe, die neu lernt. Obwohl ich schon so lange im Geschäft war, war es eine ganz neue Umgebung für mich. Erst nach etwa einem halben Jahr fühlte ich mich wirklich zu Hause in meinem neuen Laden in Fürth. Zuvor hatte ich das Gefühl, dass es nicht wirklich meins war, als wäre ich nicht richtig angekommen. Die Kunden waren auf Augenhöhe mit mir, und erst nach diesem halben Jahr war ich wieder der Boss. Dann war es meine Homebase, ich hatte das Sagen und bestimmte, was in meinem Laden geschah. Mein Selbstbewusstsein wuchs, besonders weil ich auch meine alten Kunden überzeugen wollte, mit mir zu kommen und sie für das Neue zu begeistern. Es war mir wichtig, dass sie sich wohlfühlen. Wenn ein Kunde sagte, er habe heute nichts gefunden, hatte ich immer Selbstzweifel und dachte, ich müsse etwas ändern. Aber nach einem halben Jahr stellte ich fest: Jetzt bin ich wieder daheim. Jetzt habe ich meine Basis, und ich kann auf dem aufbauen, was ich erreicht habe, und mich weiterentwickeln. Ich habe dann auch gemerkt, dass ich viel von der Selbstständigkeit gelernt habe und plötzlich wieder bei null anfangen musste, obwohl ich ja meine Basis hatte. Heute kann ich sagen, dass es wirklich überraschend gut läuft. Weil er immer wieder gesagt hat, dass die Leute in Fürth kein Geld ausgeben, dachte ich mir: Fürth hat jetzt 120.000 Einwohner. Unter diesen Leuten gibt es sicherlich etwa 10.000, die gut angezogen sind oder etwas mehr als der Durchschnitt ausgeben – sagen wir es mal so. Das bedeutet, dass ich noch 110.000 Kunden habe, die ich überzeugen kann, bei mir einzukaufen. Da dachte ich mir: Eigentlich sollten 120.000 Menschen erreichbar sein, und so war es dann auch.

Eva:  Und ich glaube es kommen ja trotzdem auch welche aus Nürnberg, also wenn jemand was bei dir kauft und sagt dann nicht, ah der ist ein Fürth, jetzt fahr ich da nicht hin.

Raimar: Also, Fürth entwickelt sich inzwischen wirklich schön. Ich habe Kunden, die extra aus Nürnberg kommen, und darüber bin ich sehr stolz. Manchmal haben sie sich sogar ein Hotel gemietet, weil sie drei Stunden gefahren sind, und das passiert immer öfter. Ich versuche auch, den Kunden zu vermitteln, dass sie nicht nur wegen eines Ladens kommen müssen. In Fürth kann man einen ganzen Tag verbringen, denn es gibt viele Unternehmen, die ebenfalls hervorragende Produkte anbieten und auf Augenhöhe mit mir arbeiten.

Das Tolle an meinem Konzept ist das Prinzip der Qualität, das von jedem verstanden wird. Jeder, der zu mir reinkommt, egal ob er 10 oder 90 Jahre alt ist, findet es cool, dass die Produkte in Nürnberg hergestellt werden. Niemand kommt und sagt: “Was machst du da für einen Mist?“ Stattdessen sagen die Leute: “Ich finde das total klasse!“ Der eine ist bereit, Geld auszugeben, während der andere vielleicht noch nicht so weit ist, aber sie haben Spaß dabei. Meiner Meinung nach verkaufe ich seit 20 Jahren Qualität, und ich habe noch nie jemanden dazu überredet, etwas zu kaufen, weil wir in einer Gesellschaft leben, die alles hat. Ich glaube, wir haben zu viel, wodurch wir nichts mehr wertschätzen können, sei es Essen oder Kleidung. Die Massenproduktion hat dazu geführt, dass die Wertschätzung für viele Dinge verloren gegangen ist. Ich bin überzeugt, dass es immer Menschen geben wird, die bereit sind, für Qualität Geld auszugeben. Wenn jedoch niemand die Qualität vermittelt oder man nicht so tief in der Materie steckt wie ich, dann braucht man den nötigen Zugang, um die Kunden zu überzeugen. Das Coole an meinem Konzept ist, dass ich Kunden habe, die spontan für 5.000 Euro einkaufen, ohne dabei Angeber zu sein. Meine Produkte kommen ohne Labels daher, und die Käufer tun das für sich selbst. Für mich ist das der richtige Weg: Wenn man Geld verdient, sollte man es auch wieder ausgeben. So funktioniert die Wirtschaft, meiner Meinung nach, und so können auch kleine, coole Läden überleben. Gleichzeitig gibt es die Teeverkäuferin, die sich ein T-Shirt für 80 Euro gegönnt hat. Das Spannende ist, dass diese Teeverkäuferin auf Augenhöhe mit dem Typen ist, der 5.000 Euro ausgibt. Dadurch entsteht eine coole Atmosphäre, denn niemand schaut von oben herab auf den anderen. Es geht einfach um eine gute Zeit, und das ist für mich Kultur: Menschen zusammenzubringen, die cool aussehen und positive Energie ausstrahlen. Ich glaube, genau das macht ein cooles Konzept aus und führt zu erfolgreichen Geschäften. Hier ist der überarbeitete Text, um die Klarheit und Lesbarkeit zu verbessern. Ich höre gern zu, weil ich mich so weiterentwickeln kann. Ich weiß natürlich nicht alles, und wenn viele Kulturen zusammenkommen, kann man am meisten lernen. Wenn du nur eine Kultur hast, zum Beispiel Kunst, bleibst du in diesem Bereich stecken und kannst dich nicht über andere Themen weiterentwickeln. Bei mir kommen Menschen aus verschiedenen Kulturen zusammen: Künstler, Frauen und Männer, die Yoga praktizieren, und viele andere. Es gibt keine spezielle Gruppe – es geht um viel mehr. Diese Vielfalt der Kulturen, die alle bei mir zusammenkommen, macht es so interessant.

Eva: Ich glaube, dass du einen Raum schaffst, der viele verschiedene Menschen anzieht. Es gibt wahrscheinlich Personen oder Gruppen, die nur einen bestimmten Personenkreis ansprechen, sei es im Bereich Mode oder Yoga. Aber du schaffst etwas Besonderes: einen Raum, in dem sich alle willkommen fühlen. Das ist eine ganz persönliche Stärke von dir.

Raimar: Ich glaube, das macht am Ende den Unterschied aus. Ich sage immer, jeder, der respektvoll zu mir ist, dem bin ich auch respektvoll gegenüber. Das könnte viele Probleme auf der Welt lösen. Warum sollte man negativ sein? Wenn jemand in meinen Laden kommt, ist die Tür offen. Jeder darf bei mir reinkommen, und ich gebe mein Bestes, um meinen Job gut zu machen. Natürlich habe ich auch mal gute und schlechte Tage, und manchmal habe ich mehr oder weniger Motivation. Oftmals ist es jedoch so, dass ich, wenn ich gerade keine Lust habe, ein Kunde reinkommt und mich mit einem guten Gespräch wieder auflädt. Diese Begegnungen helfen mir und das ist auch völlig in Ordnung.

Was sind deine Lieblingsmarken gerade im Laden?

Also prinzipiell gibt es viele, ich mein, es ist ein bisschen geiler Scheiß, und es gibt viel geilen Scheiß. Das ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in China, und in Bangladesch gibt es kleine Familienfirmen, die halt auf Familienbasis wirklich kulturell noch Sachen produzieren. Aber bei mir ist es halt so: Ich habe jetzt zum Beispiel eine Hose an, die ist von Hamman Sudra. Das ist ein Typ aus München, der hat, sagt man, eine eigene Besenkammer mit geilen alten Nähmaschinen. Der hat auf dem San Martens studiert, das ist das College für berühmte Schneider auch. Es sind halt Berühmtheiten, und der Schneider hat zum Beispiel die Klamotten extra für meinen Laden gemacht. Das Sacco und das T-Shirt sind von dem Typ aus Bergisch Gladbach, der hat dann halt wirklich auch das alles noch in seinem eigenen Atelier genäht. Muss ich aber auch ehrlicherweise sagen, das ist für mich auch das schwierigste Business, weil das alles Leute sind, die sich schwer tun mit Geld verdienen, weil es halt einfach so ein Nischenprodukt ist. Wir sind es nicht mehr gewohnt, Geld dafür auszugeben. Mein Talent ist das Verkaufen, bei denen ist das Talent das Nähen, aber die haben nicht dieses Talent zu verkaufen. Also das heißt, die müssen eigentlich nähen, und ich müsste dann eigentlich das Sprachrohr dafür sein. Aber das ist halt für die meistens auch schwierig, und es sind Leute, die kämpfen auch von Tag zu Tag.

Ich habe das Glück, dass mein Laden einigermaßen so läuft, dass ich halt sagen kann, ich finanziere meine Stoffe selber erstmal vor, damit die überhaupt etwas produzieren können. Und das ist eigentlich so die Schwierigkeit an meinem Konzept: Eigentlich muss ich das so vorstellen, ich habe den Lieferanten, der international verkauft, wo auch Geld dahinterliegt. Dann bestelle ich was, dann habe ich einen Monat Zeit, das zurückzuzahlen. Die sind inzwischen aber auch heavy, wenn ich in fünf Monaten zurückzahle. Das ist dann für einen Einzelnen ein besseres Business, als wenn du sagst, ich zeig dir in acht Monaten voraus die Kohle, ey, dass du was machen kannst. Aber das ist das, was mich und meine Lieferanten so verbindet und was mein Konzept so einzigartig macht, denn das ist so das Spitzeste am Business, Klamottenindustrie bzw. Klamottenproduktion, was du eigentlich machen kannst. Also spitzer und schwieriger kann es gar nicht gehen. Aber dafür ist es halt special. Also das heißt, ich kriege Leute, die dann drei Stunden zu mir fahren und sagen: “Ey, einmal das krieg ich nix, wann das so“, plus die ganze Leidenschaft, die da drinsteckt. Dann hast du ja teilweise die Hose, die ich anhatte, wie gesagt, die wurde extra für meinen Laden produziert, und die gibt es dann nur bei mir. Und die Menschen, die das machen, und das ist das, was ich meinen Kunden auch immer sage: Ich kann dir eine Garantie dafür geben, dass die Spaß dabei haben.

Meine Lieblingsmarken sind einfach alles, was ich verkaufe, weil mich aber am meisten der Mensch dahinter inspiriert. Natürlich weiß ich auch, was mir gefällt, aber wie gesagt, mich kann man so leicht überzeugen mit dem Herzblut und einer eigenen Idee. Das sind für mich Künstler, die ihre eigene Idee haben. Und die Industrie, musst du dir vorstellen, macht ja die drei reichsten Menschen der Welt, die kaufen alles auf, was Klamotten angeht. Deswegen schauen auch alle gleich aus, weil alle das Gleiche produzieren. Das ist alles das Ähnliche. Das Coole bei mir ist, dass es Künstler gibt, die ihre eigene Idee haben, die ihre eigene Story dahinter erzählen. Deswegen schauen meine Klamotten nicht alles gleich zu 100% aus, wie es alle anderen machen, und das macht es vielleicht dann auch interessant.

Für mich ist es einfach so, dass ich sage, ich mache es seit 20 Jahren, und das sind Leute, die mich auch noch abholen, obwohl es für mich ein schwierigeres Business ist, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Aber es ist einfach eine Dankbarkeit, die wir uns gegenseitig zuschieben, weil die mir auch vieles ermöglichen, wie Sonderanfertigungen für Frauen zum Beispiel oder für Männer, ein einzelnes Hemd zu nähen, dass die mir das ermöglichen oder auch meinen Kunden ermöglichen, dass die das dann trotzdem für denselben Preis bekommen. Normalerweise zeigst du da das doppelte Aufschlag, also sich im Maß geschneidert, weil wir es bei dir ermöglichen, meinen Kunden das für den gleichen Preis anzubieten. Auch viele von denen bekommen das, und ich glaube, das ist wie so eine kleine Familie. Meine kleine Familie sind eigentlich mein Produzent, ich und meine Kunden. Oder wir, also das bin ich, meine Schwester, ich arbeite, und jetzt gibt es noch Leute, die für mich arbeiten. Es sind einfach alle, und wenn wir alle zusammen sind, ist es ein Wir, weil wir genau wissen, wir helfen da alle zusammen und machen da einfach ein gutes Business. Und wie gesagt, in wirtschaftlicher Lage ist es so: Einer muss irgendwo Geld ausgeben, damit auch das Geld wieder zurückkommt. Und das ist ein cooles Zitat, das hat Karl Lagerfeld mal gesagt: „Man wirft das Geld aus dem Fenster, und dann kommt es zur Tür wieder rein.“ Wenn keiner das Geld aus dem Fenster wirft, kann es auch nicht bei dir reinkommen, und dann ist die Wirtschaft am Ende. Dann gibt es keine mutigen Leute mehr.

Wie kommst du denn zu deinen Produzenten, also entdeckst du die zufällig oder kennst du die alle schon ganz lang? Teil in deinem Leben?

Raimar: Unterschiedlich. Manchmal sind es Empfehlungen, weil natürlich einer sagt: “Raimar, schau dir den mal an, der macht es, und so könnte es dir gefallen.“ Manche kommen zugeflogen, manche über Instagram. Ich hatte eine Schneiderin aus Hannover, die ganz, ganz, ganz wichtig für mich ist. Da habe ich einfach nur eine Dame in einer Bluse auf Instagram gesehen und dachte mir: „Boah, geil, gefällt mir.“ Dann habe ich noch gelesen “Made in Germany“ und gesagt: “Ich rufe dich an.“ So ist es entstanden.

Aber das war nur eine Bluse. Beim Joachim Gauss, der meinen Anzug macht, habe ich eine Empfehlung bekommen und ihn auf Instagram angeschaut. Bei dem habe ich eine Hose bestellt und gesagt: “Kannst du mir die mal schicken? Ich würde sie mir mal gerne anschauen.“ Ich habe die Hose angezogen, und das ist die geilste Hose, die ich bis jetzt hatte. So bin ich mit ihm zusammengekommen. Also manche sind mitgekommen, es sind neue dazugekommen, und mit manchen arbeite ich einfach schon ganz lange zusammen. Das ist wie eine Familie. Manche gehen, manche kommen, und man muss ja auch, man darf nie stehenbleiben. Man muss immer die Augen und Ohren offenhalten als Selbstständiger und darf niemals sagen: “Das ist meine Meinung“, denn du weißt niemals, was passieren kann. In allen Bereichen kann dir etwas passieren.

Wo du dir gedacht hast: ”Das wäre ich nicht.“ Ich sage immer zu meinen Kunden, wenn sie sagen: “Ey, das bin ich nicht, das stehe ich nicht, das würde niemals zu mir passen“, sage ich: „Niemals kannst du nicht sagen, aktuell anscheinend nicht, aber es könnte passieren, dass es irgendwann mal so ist.“ Denn wir hatten es vorher wie im Sport. Viele meiner sportlichen Aktivitäten sind entstanden durch, dass ich mich überreden habe, lassen wir es zu machen, falls ich eigentlich keinen Bock hatte, dann bin ich da einmal mit ins Training gegangen. Ich hatte einen Kunden, der ist zum Boxen gegangen. Ich habe immer gern Boxen angeschaut und fand es immer cool. Er hat mir erzählt, er geht ins Boxen, bla bla bla. Dann hat er gesagt: „Ich gehe halt mal mit dir ins Training.“ Und ich habe immer gesagt: „Ja, ja, ich gehe schon mal mit, ich gehe schon mal mit.“ Dann kam er und hat mich fünf, sechs Mal gefragt, bis mein Kollege gesagt hat: “Einmal musst du jetzt aber mitgehen.“ Ja, eigentlich hat er recht. Ich muss mal mit ihm ins Training gehen. Na ja, aber eigentlich wollte ich gar nicht. Bin aber mit ihm zum Training gegangen. Was ist passiert?

Ich war drei Jahre lang in dem Boxclub und hatte total Spaß daran. Das war mit dem Joggen so, das war bei eigentlich vielen Sportarten so: Es ist wirklich erstmal aufraffen, den Mut haben und aus der Komfortzone raus. Dann war es erst mal schwierig. Aber man muss das öfter machen, um Selbstvertrauen zu sich aufzubauen, und so bekommt man einen Rhythmus rein. Das braucht einfach eine Zeit lang, und dann ist es eine Gewohnheit, etwas zu machen. Da muss man schauen, dass man aus dieser Gewohnheit nicht rauskommt.

Und da wirst du mich manchmal auch beim Sport sehen, dass ich einen Rhythmus habe. Dann kommt mir irgendetwas dazwischen, und dann gehe ich drei, vier Monate lang nicht mehr. Dann muss ich mich auch erst wieder aufraffen, um reinzukommen, wo ich in einem guten Flow war. Auch bei der Ernährung hast du manchmal in so zwei, drei Monaten eine Phase: Geil, kein Zucker, wenig Zucker, nur am Wochenende cheate ich mal am Sonntag. Dann musst du da einmal dranbleiben, und das ist aber eigentlich bei allem so.

Du musst immer dranbleiben, Gas geben und darauf achten, und am Ende musst du halt schauen, dass du selber fit bist und dass du nicht stehen bleibst. Das ist eigentlich wie mit der Selbstständigkeit: Du musst auch immer dranbleiben und darfst nicht stehen bleiben.

Irgendwie, ja, nicht gleich sagen: “Es gefällt mir zum Beispiel nicht.“ Es hätte ja sein können, dass dir Boxen nicht gefällt, und du hättest gesagt: “Jetzt mache ich gar nichts mehr.“ Aber einfach mal probieren! Wenn es nicht ist, dann gibt es was anderes. Ich glaube, viele Leute haben immer irgendwie Angst davor, dass irgendwas passiert, aber man sollte einfach mal machen. Ich habe viele Leute, die viele Ideen eingebracht haben, die nicht von mir kommen. Natürlich verbindet man alles mit mir, aber das funktioniert nur als Team. Und ich glaube, dass Kreativität als Selbstständiger auch da sein muss. Wenn du die richtigen Leute findest, weil du kreativ genug bist, um die richtigen Leute zu finden, dann läuft es automatisch. Die Leute machen dein Business so wie du, und dann verbinden sie sich mit dir. Aber ich sage immer: “Ey, mein ganzes, es steckt bei Reimar Bradt in dem Laden über alles eine Story. Es gibt keine Fuzzel da drin, wo nicht die Leute dahinterstecken. Aber diese ganzen Stories haben nicht alle geschrieben, auch wenn viele denken, dass es so ist.“ Mein Schreiner hat mir mal gezeigt, was er macht. Den habe ich irgendwo kennengelernt und dachte: “Oh, geil, cooler Typ!“ Auch wie er von seiner Schreinarbeit und seinem Job erzählt – einfach geil. Ich habe ihn angerufen: “Ey, ich mache den Laden. Kannst du mir helfen?“ Er ist zu mir nach Hause gekommen, ich habe gesagt: “Weißt du was? Du bist ein geiler Typ! Das, was du mir gezeigt hast, ist geil. Ich habe gerade die Zeit, mich großartig damit zu beschäftigen. Ich sage dir, wie viel Kohle ich habe, mach du den Laden bitte.“ Und er ist so: “Oh geil, ich habe da Bock! Ich habe da Bock!“ Geil, Alter, dass mir einer sagt: “Hier ist die Kohle, ich will das machen.“

Er hatte so Bock, dass er wusste, er muss das in der Zeit hinkriegen, hat auch Nachtschichten gemacht. Ich habe ihm einen Feierraum gegeben. Meine Schwester macht sehr viel Marketing für mich, auch das Logo und so. Die ganzen Ideen kamen von ihr, ich habe es dann nur noch abnicken müssen. Aber sie wusste, wie ich ticke, sie wusste, was mir gefällt, und hat es dann umgesetzt. Da musste ich mich dafür auch nicht mehr beschäftigen. Mein Fliesenleger-Kumpel wusste: Ich habe gesagt, ich habe so viel Geld, ich will vorne in dem Bereich haben, wo eine geile Story hinter meinen Fliesen steht. Dann ist er losgefahren. Am Ende hatte mein Laden auch mit ein paar Specials gefließt, wo ich gar nichts abgesprochen habe und mir gedacht habe: “Geil, das ist geil.“ Das ist halt auch wichtig, dass man in seinem privaten Leben oder in seinem Business die richtigen Leute einfach für sich findet.

Eva: Voll! Aber auch du musst vieles selbst nicht können oder kannst es gar nicht so abgeben. Also ich glaube, das ist auch noch so ein Punkt, dass du abgeben möchtest. Da haben, glaube ich, viele auch Angst.

Raimar: Ich mache viele Dinge gerne auch selbst, weil ich weiß, dass ich es am besten kann. Ja, aber zu wissen, was man nicht kann und das dann abzugeben, ist eine andere Sache. Das tun sich viele schwer, sie gehen daran kaputt. Ich würde daran kaputtgehen, wenn ich mein Büro selbst mache.

Ich kann dir eine Story erzählen: Ich hatte damals mit meinem Warenwirtschaftssystem akute Probleme. Es ist einfach überhaupt nicht meins. Der Typ, der mir das verkauft hat, und das Laptop – ich habe ihn drei Tage nach meiner Eröffnung angerufen und gesagt: „Weißt du was, nimm die Scheiße, ich hau dir den Müll zurück, ich scheiß auf die ganze Kohle, bring mir eine normale Registrierkasse in den Laden.“ Dann sagt er zu mir: “Bitte, bitte, gib mir drei Monate, du schaffst es, nach drei Monaten bist du im Flow.“ Und ich so: „Fuck you!“ Ich lege auf und sage: „Okay, drei Monate gebe ich diesem Scheiß auf das Wirtschaftssystem.“ Ey, heute bin ich dankbar dafür, dass ich es habe. Ich habe drei Monate gebraucht, um mich daran zu gewöhnen, und ich bin dankbar dafür, dass ich es habe. Aber es ist immer noch nicht meins. Ich habe mich jetzt auch daran gewöhnt, aber ich hasse Computerarbeiten. Das ist einfach so. Ich glaube, ich habe da wahrscheinlich irgendwie eine Blockade. Und da habe ich dann, wie gesagt, Gott sei Dank, die Gene, um zu sagen, ich gebe das gerne ab, weil mir nichts anderes bleibt. Ich weiß, wenn ich alles selbst machen müsste, würde ich lieber meinen ganzen Job dafür aufgeben. Das ist wie beim Online-Shop. Ich habe das Glück, dass ich weder bei Bubi noch bei König bin. Ich glaube, die planen jetzt in der Musikbranche und für einen Online-Shop, aber ich war dann mal dagegen. Ich habe jetzt aber auch mitgemacht, weil meine Kollegen gesagt haben, sie wollen das so. Natürlich passe ich mich da an. Jetzt habe ich einen neuen Laden, und da habe ich gesagt, ich mache einen kleinen Online-Shop, und du weißt nicht, was passiert. Damit kann ich gleich flexibel arbeiten. Aber ich bin keiner, der den ganzen Tag verpackt, E-Mails schreibt und die Ware zurücksendet. Ich habe das Glück, dass ich als stationärer Handel darauf verzichten konnte, bis heute ohne Online-Shop zu überleben. Und jetzt kommen ja schon neue Welten mit Online-Einkaufen und so. Ich glaube, ich habe das komplette Online-Shop-Thema überspringen können, und es gibt, glaube ich, ganz wenige Einzelhändler, die das geschafft haben – nur stationär mit der Story, Leute in den Laden zu bekommen, von dem man leben kann.

Gott sei Dank! Und da bin ich auch dankbar für alles. Bis jetzt habe ich im ersten Jahr doppelt so viel Umsatz gemacht, wie ich mir je hätte vorstellen können. Und die Hälfte von diesem Umsatz, das, was ich mir in den ersten fünf Jahren eingebildet habe, ey, da wäre ich glücklich gewesen, wenn ich das geschafft hätte. Und das sieht man aber auch mal, wie sehr solche kleinen Konzepte angenommen werden, wo sich die Leute eben finden. Ich sage immer, ich will mich selbst auch gar nicht so hoch loben oder sagen, ich bin Herzblut-Einzelhändler. Aber was ich immer sage, ist: Was bringt dir ein schönes Äußeres, wenn die Seele nicht das Richtige ist? Da gibt es ganz viele Beispiele. Es gibt Läden, die sind optisch besser als meine, bestimmt besser, weil da auch einfach viel mehr Geld drinsteckt, aber die funktionieren nicht. Sie verkaufen fast die gleichen Lampen wie ich, weil da keine Seele drin lebt.

Und am Ende ist es die Seele, die da drin ist, egal ob es meine Schwester oder meine angestellten Verkäufer sind. Es ist die Seele, die, glaube ich, die guten Konzepte ausmacht.

Und dadurch ist die Seele auch wieder mit Kultur zu verbinden, weil ich sage, am Ende geht es auch darum, dass man sich einfach mag. Ich bin mir auch 100 % sicher, dass manche Kunden schon mal gesagt haben: “Ich kaufe das, ich finde das jetzt geil, aber ich kaufe es lieber trotzdem beim Raimar, weil ich möchte mein Geld lieber bei Raimar ausgeben.“ Ich glaube, das macht das Kundenkonzept aus. Auch ein gutes Restaurant ist über die Seele erfolgreich, weil dort jemand mit Leib und Seele kocht oder in einem guten Fitnessstudio, wo du einfach den Unterschied merkst. Ja, weil da, glaube ich, auch eine Person dahintersteht, die das füllt. Und das ist Kultur? Das ist Kultur. Ja.

Und deswegen verbinde ich meinen Laden gerne mit Kultur, weil Kultur immer etwas mit positiven Menschen zu tun hat – oder oft. Und da fasst man ausschließlich etwas Kulturelles mit Qualität zusammen. Viele Menschen wollen einfach den Kontakt zu anderen Menschen, denn du kannst einen Kaffee immer selber trinken. Aber es ist schön, in ein anderes Café zu gehen, sich einen Kaffee zu bestellen und dort andere Leute zu sehen. Denn das ist es, was uns erleben lässt – für mich und auch für viele Menschen macht es lebenswert, etwas zu erleben und ein Erlebnis zu haben.

Ja, und die Verbindungen zu anderen Menschen sind enorm wichtig. Wirtschaftlich geht es uns allen gut. Also, wenn wir in Deutschland leben dürfen, geht es uns wirtschaftlich wirklich sehr, sehr gut, aber wir machen auch etwas dafür. Wirtschaftlich gesehen haben wir das Glück, in Deutschland leben zu dürfen, und wenn man mal Geld braucht, wird man auch vom Staat unterstützt. Das ist bloß das, was ich sage: Ich glaube, wir haben so viel, dass wir nichts mehr wertschätzen können – weder unseren Lebensstil, in dem wir das Glück haben, dass wir eigentlich in einem Land leben, das uns auffängt, wenn wir mal in die Scheiße kommen. Natürlich wird das auch oft ausgenutzt, aber die lasse ich mal raus. Wenn du als normaler Mensch in Problemlagen kommst, unterstützt dich dein eigenes Land; da wird die Scheiße von der Haustür weggeputzt. Natürlich zahlen wir dafür Steuern, aber es ist alles noch so, dass ich sage: Wir haben ein geiles Leben. Wir können uns Essen leisten, wir können uns Trinken leisten, und keiner muss verdursten.

Das sind so Sachen, wo ich mir sage, da kannst du doch nicht erzählen, dass wir es irgendwie schwer haben. Wenn du Geld verdienen willst, kannst du auch Geld verdienen. Das ist dann vielleicht nicht immer der Lieblingsjob, aber ich könnte dir sofort, wenn du heute sagen würdest: ”Raimar, kannst du mir mal sagen, ich bräuchte jetzt Kohle“, drei Adressen geben, wo du heute Abend dann noch mit 300 Euro nach Hause gehen kannst. Du musst es dann halt nur machen, aber wir schätzen das alles gar nicht mehr wert. Wir haben das irgendwo auf der Strecke verloren, weil wir alles billig, in großen Mengen, und wann immer wir wollen, bekommen – einfach auf Knopfdruck. Ich habe neulich zu meiner Tochter gesagt, als wir Sport gemacht haben und davor etwas getrunken haben: “Trink jetzt, wir trinken erst wieder, wenn wir zurückkommen.“ Das nicht, weil ich will, dass meine Tochter verdurstet, sondern weil ich einfach möchte, dass sie auch mal weiß, was es heißt, ein bisschen Durst zu haben. Wir haben dann Sport gemacht, und sie hat zwischendurch mal gesagt: “Oh Papa, ich hätte so Durst.“ Dann habe ich gesagt: “Wir sind in 20 Minuten daheim, und dann trinken wir auch wieder.“ Aber das ist einfach mal eine Wertschätzung, zu sagen, dass du nicht immer auf Knopfdruck alles haben kannst. Du musst auch mal checken, wie es ist, Hunger zu haben, und du musst mal checken, wie es ist, Durst zu haben.

Eva: Aber auch bei der Kleidung ist es so, dass man zum Beispiel nicht heute die fünf T-Shirts kauft, sondern vielleicht einfach sagt, es gibt einmal im Monat etwas oder einmal im Quartal, und dafür dann etwas Gutes. Ich glaube, wir haben vorhin über die Stiefel gesprochen; die habe ich seit fünf Jahren im Winter, weil sie einfach gut sind.

Raimar: Weil du dann die andere Wertschätzung hast, alles, was du kaufst, trägt zur Wertschätzung bei. Das ist aber viel Marketing, das da kaputt macht: viel Fernsehen, viel Werbung, viel Instagram. Ich bin zwar vom Online-Bereich abhängig, aber ich sage, dass mir das viel weiterhilft. Es ist nicht nur Schlechtes, sondern man kann auch Gutes hören und lesen, was man glaubt. Das Problem ist, dass uns das meiner Meinung nach viel kaputtgemacht hat. Dadurch ist auch diese Masse entstanden, und ich muss so aussehen wie alle anderen. Wir werden so erzogen, dass wir eigentlich alle gleich aussehen sollten, und dadurch haben die anderen, die anders sind oder anders aussehen, es noch viel schwieriger. Wir sind schon so gesteuert, dass wir sagen, der schaut ja anders aus, der ist ja schwarz. Dabei sind wir eigentlich alle gleich. Manchmal musst du dich sogar blöd vorkommen, wenn du dich ordentlich im Anzug anziehst, weil die Leute dann fragen, warum du das trägst. Ich hatte erst kürzlich eine Kundin im Laden, die ein schickes Outfit angezogen hat. Sie kam raus und sagte: “Boah, das ist geil, das will ich haben!“ Dann überlegte sie: “Für welchen Anlass ziehe ich das an?“ Ich schaute sie an und fragte: “Wo arbeitest du?“ Sie antwortete: “Ich arbeite im Büro.“ Ich sagte: “Ja, geil! Zieh es doch bei der Arbeit an!“ Aber sie meinte: “Nee, das kann ich nicht, dann schauen mich meine Arbeitskollegen blöd an.“ Ich dachte mir, hey, das ist doch eigentlich geil, wenn jemand morgens darüber nachdenkt, was er anzieht. Warum sollte man sich dafür schämen?Sobald man irgendwie anders ist, schämt man sich. Dann lässt man es lieber bleiben und ist lieber wie alle anderen. Dabei trimmen wir ja unsere Kinder schon von klein auf: “Du darfst die Farbe so und so nicht verwenden, du darfst so nicht schreiben, du darfst das und das nicht machen.“ Was passiert am Ende? Du wirst genauso wie alle anderen. Der, der anders sein möchte, ist ein Außenseiter. Ich zum Beispiel stehe auf Menschen, die ein Handicap haben, denn die haben viel zu erzählen. Sie haben viel Scheiße erlebt in ihrem Leben, und wenn sie dann noch mutig darüber reden – das ist einfach geil!

Eva: Aber ich glaube, wie gesagt, haben wir das wahrscheinlich schon auch in Kindheit mitgekriegt, nur nicht auffallen, glaube ich, auch und da geht es irgendwie auch nicht nur, wie jemand angezogen ist, sondern auch darum, wie ich in der Schule, in der Schule habe ich nicht so viel geredet. Nicht glauben, ob es so, da hat man mir gesagt, komisch, die redet nichts, die ist komisch. Also das ist auch von Lehrern zum Beispiel, kriegt man das auch, auch in der Schule, fängt das ja eigentlich schon an.

Raimar: Fängt das Mobbing an.

Eva: Ja, also wenn man irgendwie auch in der Schule fängt, dann will man auch irgendwie nicht so auffallen, weil entweder jemand redet zu viel oder zu wenig oder wie immer.

Raimar: Irgendwann habe ich das abgestellt, was mich viel Nerven gekostet hat, und das hat auch meinen Eltern viel Nerven gekostet. Ich habe immer gesagt, was ich denke, und das kam bei meinen Lehrern natürlich nie gut an. Jetzt, als Erwachsener, sagen mir die Leute: “Hey, Raimar, ich finde dich so cool, du sagst immer, was du denkst, und das tut mir so gut. Das traue ich mich nicht. Dass du das machst, finde ich geil.“ Ich denke mir dabei: Steckt das nicht auch in dir? Warum solltest du das nicht sagen? Man denkt oft, dass einem solche Dinge nur selbst passieren, dabei geht es den anderen genauso – sie trauen sich nur nicht, es auszusprechen. Wenn man dann mal zu Hause schaut, wie es bei uns aussieht – das Auto, wir haben zwei Kinder und kommen oft nicht zum Aufräumen – und ich nehme jemanden im Auto mit, dann sagen die oft: “Ja, bei uns ist es genauso. Gott sei Dank ist es bei euch auch so!“

Eva: Ja, genau, das ist ja auch die Kommunikation. Es ist wichtig, ehrlich darüber zu sprechen, wie es bei uns mit Kindern oder auch ohne Kinder ist. Und so merkt man, dass es bei anderen, wie du sagst, oft auch so ist.

Raimar: Aber gerade bei Kindern traut man sich oft nicht, ehrlich zu sein. Man sagt: “Nee, das darf man nicht so machen, das ist Familie und so.“ Das ist bei vielen so. Und in Bezug auf das Thema Angstattacken, das Lisa im letzten Podcast angesprochen hat, dachte ich mir: “Oh geil, jetzt fangen die Leute an, darüber zu reden, und es wird für alle besser.“ Man hört dann: “Oh, der hatte das auch? Krass, ich hatte das ja auch!“ Es ist großartig, dass sie darüber spricht. Jetzt erzähle ich es auch mal jemandem.

Und das ist ja bei ganz vielen Themen so. So entstehen diese krassen Gruppierungen, wo alle gleich sind, und keiner darf mehr was sagen oder machen. Du wirst total eingeschränkt. Wenn du dann einer bist, der sich traut, etwas zu sagen, ist das echt frustrierend. Das nervt mich auch an unserem Schulsystem. Es ist gut, dass es ein Schulsystem gibt, sonst wären viele kluge Köpfe nicht unterwegs. Aber das Problem ist: Du wirst dazu erzogen, so zu sein wie alle anderen. Nach der Schule hast du diesen Tick, dass du wie alle anderen sein musst. Plötzlich bist du so wie alle anderen, kommst aber nicht voran und verlierst deine eigenen Ziele und Träume.

Diese wurden dir eigentlich schon während der Schulzeit ausgeredet. Wenn du dann die Schule verlässt, stehst du da und machst etwas, das du eigentlich nicht machen wolltest. Vielleicht hast du BWL studiert und bist mit 32 Jahren fertig, aber eigentlich wolltest du Floristin werden. Doch als Floristin verdient man ja kein Geld, heißt es. Ich frage mich: Woher willst du das wissen? Nach deiner Ausbildung hättest du so viel aus dem Bereich machen können! Nur weil deine Eltern oder Lehrer dir gesagt haben, du musst Abitur machen und danach studieren. Du gibst deinen ganzen Traum auf, und was passiert? Du wirst depressiv, weil du all deine Träume verloren hast, nur weil andere Leute gesagt haben, das sei der richtige Weg. Und so war es auch bei mir in meiner gesamten Schulzeit.

Eva: Ich habe BWL studiert, und das zieht sich wirklich von der Schule weiter. Da wird einem gesagt: “Ja, ihr kriegt alle gute Jobs. Geht zu Autobauer XY nach München oder in einen Konzern.“ Es gibt also nur diesen einen Weg. Ich frage mich: Warum reden nicht mehr Menschen darüber, dass man mit einem BWL-Studium auch selbstständig werden könnte? Das findet gar nicht statt; es gibt nur dieses eine Ziel.

Raimar: Es gibt viele Leute, die damit klarkommen und erfolgreich sind. Es gibt auch viele BWL-Studenten, die BWL studieren, weil sie Spaß daran haben. Aber ich glaube, viele hinterfragen das gar nicht. Oft bleiben die Träume von vielen Menschen auf der Strecke, weil sie sich nicht trauen, etwas zu machen, das ihnen wirklich Spaß macht.

Eva: Genau, und deshalb habe ich vor vier Jahren meine Trainerlizenz gemacht. Das war der Zeitpunkt, an dem ich dachte: “Das ist cool!“ Aber ich wollte auch nicht sagen, dass das alles ist. Ich habe mich gefragt, was eigentlich meine richtige Leidenschaft ist. Das hat sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert, auch während des Studiums.

Raimar: Das finde ich nicht schlimm, weil… klar, ich denke jetzt als Erwachsener auch, dass ich in der Schule vielleicht bei den Englisch-Vokabeln mehr hätte lernen können. Warum habe ich sie nicht einfach einmal ernsthaft gelernt? Eigentlich wäre das kein Stress gewesen. Aber zu der Zeit hatte ich einfach keinen Bock und andere Dinge im Kopf. Es kommt ja alles so, wie es kommen soll. Ich sage, das ist in Ordnung; jede Erfahrung, jede schlechte Erfahrung ist okay, und jeder von uns hat sie gemacht. Ich habe das große Glück, dass ich meine Träume immer verbunden habe. Trotzdem hatte ich extreme Probleme in der Schule. Ich war kein guter Schüler, ich war auch nicht der Anständigste, und ich hatte viel Blödsinn im Kopf. Ich muss ehrlich sagen, ich habe nicht alles richtig gemacht in der Schulzeit. Aber ich habe immer das gemacht, worauf ich Lust hatte, oft im kreativen Bereich, wo ich oft unterdrückt wurde, weil mir die Lehrer gesagt haben: „Hey, das, was du machst, ist nicht richtig, weil du es anders machst als die anderen Kinder.“

Raimar: Ich meine, am Ende musst du selbst das Richtige aus deinem Leben machen. Es ist ja nicht so, dass du einfach in die Schule gehst und dann automatisch ein Profi wirst. Du musst selbst zum Profi werden oder zu jemandem, der etwas gut macht, und dafür musst du an dir arbeiten.

Eva: Voll! Ich finde, diese Selbstwirksamkeit ist wichtig. Du kannst nicht immer sagen, dass die anderen das machen müssen. Du solltest deine eigenen Dinge selbst anpacken. Das wird dir kein anderer abnehmen.

Raimar: Das ist meine Grundeinstellung: Ich zeige niemals mit dem Finger auf andere, egal ob du bei H&M oder bei mir einkaufst. Das macht dich als Menschen nicht schlechter. Ich kenne dich vielleicht nicht, und selbst wenn ich dich kenne und du bei mir nichts kaufst, mag ich dich trotzdem. Ich würde niemals sagen: “Ey, der Typ ist ein Arschloch, weil er nie bei mir kauft.“ Das ist überhaupt nicht mein Ding. Ich mag Menschen nach ihrem Charakter und nicht nach ihrem Aussehen. Ich finde es grundsätzlich schlimm, wenn zum Beispiel Vegetarier sagen: “Warum isst du Fleisch? Das ist total asozial.“ Dabei sind sie auch keine Weltverbesserer, denn ihre Schuhe bestehen auch aus Plastik, und das trägt zur Mikroplastik Verschmutzung bei, was letztendlich Fischen schadet. Ich arbeite immer an mir selbst. Ich habe mal in einem Podcast gehört, dass man einen positiven Kreis um sich herum schafft. Wenn du an dir selbst arbeitest und mit dir im Reinen bist, wird dein Kreis größer. Du nimmst deine engste Familie mit, und wenn du noch glücklicher wirst, kannst du auch andere Menschen in deinen Kreis einladen. Aber dein Kreis fängt immer bei dir selbst an. Es bringt nichts, mit dem Finger auf andere zu zeigen und zu sagen: “Du bist ein Arschloch, weil du so bist.“ Am Ende, wenn du keine bösen Absichten hast und keine Entscheidungen triffst, die anderen schaden, dann ist das in Ordnung.

Also das ist auch in meinem Logo mit drin: dieses “Kritzelkratzel“ um mein Logo herum. Außen ist ein Faden, der nicht perfekt ist. Meiner Meinung nach ist das so, dass wenn du links und rechts den Faden nehmen würdest und versuchst, deinen eigenen Faden ein bisschen nach unten zu ziehen, er nie perfekt werden wird. Das ist meine Ansicht: Wir werden niemals perfekt sein, aber wir können alles ein bisschen besser machen, wenn wir alle ein bisschen kreativer sind und mit den Möglichkeiten, die wir haben, etwas Besseres erreichen – ohne unseren Lebensstil grundlegend ändern zu müssen. Das bedeutet vielleicht, bewusster mit Fleisch umzugehen, ein bisschen mehr auf Fast Fashion zu verzichten, ohne dass du sagen musst: „Ich muss jetzt meinen Lebensstil komplett umstellen.“ Du hast gerade gesagt, dass es Schritt für Schritt geht. Vielleicht fängt man mit einem T-Shirt an oder überlegt sich, weniger Fleisch zu essen. Viele Leute wollen jedoch immer sofort alles auf einmal ändern, und das ist ein Fehler. Oft denken sie, dass nur ihr Ansatz der richtige ist, und sie sind überzeugt davon, dass alle anderen, die nicht mitmachen, komisch sind. Das finde ich ganz merkwürdig.

Wie bekommst du Bewegung in deinen Alltag unter?

Raimar: Ja, das ist es, und deswegen möchte ich kurz zum Thema Training und Bewegung übergehen. Man muss einfach mal starten und dann schauen, ob es passt oder nicht. Es ist wichtig, sich die Zeit dafür zu geben. Diese Ausrede „Ich habe keine Zeit“ stimmt nicht. Wenn du wirklich Zeit mit deinen Kindern verbringen möchtest, findest du sie immer. Das gilt auch für den Beruf: Wenn du viel zu tun hast, kannst du trotzdem Zeit für deine Familie finden. Mit Sport ist es ganz ähnlich. Wenn du es wirklich möchtest, findest du die Zeit. Niemand arbeitet 24 Stunden am Tag; das wäre nicht machbar. Es ist wichtig, Prioritäten zu setzen und sich selbst die Möglichkeit zu geben, aktiv zu sein.

Weil du dann auch durch bist, findet jeder eine halbe Stunde oder drei, vier Stunden für Sport. Ich finde, Sport trägt nachweislich zur Kreativität bei. Bei mir ist es so: Ich brauche das. Morgens gehe ich für eine halbe Stunde joggen, und dabei kommen mir die besten Ideen. Ich versuche, das jeden Tag zu machen, denn beim Joggen, besonders ohne Musik, erlebe ich meine kreativste Phase.

Ich höre mir da schon öfter meinen Podcast an, und auch das hilft ein bisschen weiter. Wenn ich jetzt zur Arbeit gehe und meinen Kopf komplett frei habe – ohne Kopfhörer – und durch den Wald laufe, kann ich die Ideen umsetzen, die mir kommen.

Eva: Ja, ich bin an sieben Tagen in der Woche, glaube ich, sechsmal im Wald mit dem Hund. Das ist auch eine Zeit, in der ich kein Handy dabei habe, und oft kommen mir die besten Ideen. Oder ich kann über die Dinge nachdenken, die mir im Laufe des Tages passiert sind, und sie mitnehmen.

Raimar: Ich muss ehrlich sagen, ich bin beim Joggen auch emotional. Wenn ich laufe oder in der frischen Natur bin, habe ich oft traurige Gedanken, und manchmal muss ich einfach vor mich hin weinen – nicht, dass ich jetzt richtig heule, aber es ist einfach ein emotionaler Moment für mich. In diesen Zeiten merke ich, wie wichtig das für mich ist. Oft kann ich über emotionale Dinge nicht nachdenken, weil ich hier einen Computer habe, hier ein Telefongespräch, und da ist immer etwas zu erledigen. Beim Laufen habe ich die Zeit, um das alles abzubauen, und das tut gut. Wie gesagt, das ist eine emotionale Zeit für mich, eine kreative Zeit, und ich glaube, das sollte man in seine Selbstständigkeit einbauen. Jeder ist da anders; es gibt sicherlich auch Menschen, die das nicht brauchen und trotzdem erfolgreich und kreativ sind. Für mich ist es jedoch wichtig, weil ich sonst irgendwie ins Straucheln gerate. Ich denke, wir sind wahrscheinlich im ähnlichen Alter – ich behaupte mal, du bist ein paar Jahre jünger. Ich bin Mitte 30. Aber wenn du 40 wirst, fängst du an zu merken, dass hier etwas zwickt oder dort etwas zwackt. Der Gedanke, auch im Alter noch selbstständig etwas machen zu können und nicht auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, kommt dann auch irgendwann. Das ist eine Form der Wertschätzung. Manchmal habe ich so einen verspannten Nacken, der mich von meiner Kreativität abhält, und dann denke ich mir: "Oh Gott, ich muss das wertschätzen."

Geil ist es, wenn du komplett schmerzfrei bist. Was es dann Unterscheid macht, mit Schmerzen zu arbeiten und ohne. Und dass du das eigentlich auch wertschätzen kannst, dass wenn du mal keine Schmerzen hast und arbeiten kannst halt.

Eva: Absolut, und damit sind wir wieder bei dem Thema Selbstwirksamkeit, das ich vorhin angesprochen habe. Man muss sich selbst bewusst sein, was man tun kann, wenn man Schmerzen hat. Ich habe auch viele Menschen im Training, die nicht wissen, wie sich ihr Körper anfühlt – sei es das Knie oder der Nacken. Wenn du Schmerzen hast, musst du dich auch mal mit deinem Körper auseinandersetzen und herausfinden, was ihm gut tut.

Raimar: Du kannst aber auch nicht alles wissen.

Eva: Nein, genau. Du erklärst es deinem Kunden. In diesem Schritt hat der Kunde ja schon etwas Neues gelernt.

Raimar: Ja, und manchmal denkst du, das sollte eigentlich normal sein.

Eva: Aber das ist nur für dich normal.

Raimar: Genau. Manchmal denke ich auch, das ist doch nichts Krasses. Es ist einfach nur die Wahrheit.

Eva: Ja, und das Verrückte daran ist, dass es oft Dinge sind, die logisch erscheinen.

Raimar: Aber nicht für dich. Für dich ist es normal, aber für mich nicht. Du könntest mir heute sicher auch noch Muskeln zeigen, von denen ich noch nie gehört habe, und ich würde denken, wow, wie konnte ich das nicht wissen?

Eva: Absolut! Zum Beispiel ist eine der ersten Übungen bei mir, das Zwerchfell zu ertasten. Viele wissen vielleicht nicht einmal, was das Zwerchfell ist und fragen sich, was ich eigentlich von ihnen will.

Raimar: Genau! Da haben viele auch Angst, sich selbst anzufassen.

Raimar: Wenn es jeder machen würde, hättest du jetzt keinen Job, dann könntest du es niemandem beibringen, weißt du? Zum Glück ist das so. Sonst wäre es ja komisch. Aber dann wären ja auch alle perfekt, und das funktioniert einfach nicht. Es ist gut, dass wir voneinander lernen.

Eva: Voll! Vor allem auch, dass die Kundinnen und Kunden mir ebenfalls etwas beibringen. Sie bringen immer etwas mit, selbst wenn es vielleicht nichts mit Sport zu tun hat.

Raimar: Genau! Man denkt oft: Ah, der macht zum Beispiel beruflich etwas Cooles. Das wusste ich gar nicht, dass es so etwas gibt!

Eva: Absolut! Und man weiß nie, wer vor dir steht. Deswegen ist es wichtig, jedem respektvoll zu begegnen. Am Ende helfen sie dir in deinem Alltag, in deinem Leben weiter oder haben coole Ideen oder kennen jemanden, der dir weiterhelfen kann.

Raimar: Ja, und oft weiß man nicht, was die Person schon erlebt hat. Warum hat sie zum Beispiel Angst vor dem Training? Oder warum zieht sie sich so an? Vielleicht sind sie schüchtern oder trauen sich nicht, bestimmte Kleidungsstücke zu tragen.

Was hast du für einen Tipp für Personen, die so gar nicht ins Training oder ins Sport reinkommen?

Eva: Wie war dein Beginn mit dem Joggen? Hast du sofort sieben Mal die Woche trainiert oder hast du es langsam aufgebaut? Hast du irgendwelche Tipps für Menschen, die Schwierigkeiten haben, auch mit Kindern?

Raimar: Einfach anfangen! Mein Tipp ist, mit Sport oder auch mit der Ernährung einfach loszulegen und sich dazu zu motivieren, etwas zu unternehmen. Rauszukommen ist der erste Schritt. Wissenschaftlich ist ja bewiesen, dass Bewegung an der frischen Luft hilft. Wenn jemand an Depressionen leidet, ist das Erste, was der Therapeut empfiehlt: “Mach Sport.“

Es ist wirklich schade, wenn man nie damit anfängt, denn es kann helfen, Depressionen zu lindern und die Stimmung zu verbessern. Es ist wichtig, das im Kopf zu haben und es dann einfach zu tun. Ich habe das schon oft erlebt, und ich würde sagen, jeder, den ich kenne, der gerne Sport macht, hat auch mal einen schlechten Tag. Zum Beispiel, wenn man nach einem stressigen Tag nach Hause kommt und denkt: „Ich habe jetzt Lust auf etwas Leckeres!“ Oft ist es dann die Versuchung, sich etwas Ungesundes zu gönnen – eine Pizza und danach noch Schokolade. Das zieht einen aber oft nur weiter runter. Im Gegensatz dazu, wenn du nach einem stressigen Tag deine Sportschuhe anziehst – im Idealfall mit einem Kumpel, mit dem du quatschen kannst – und dann nach Hause kommst, duschst und dich auf die Couch setzt, kannst du den Unterschied deutlich spüren. Wenn du das mit dem schlechten Tag vergleichst, merkst du: Das war echt klasse! Und dann weißt du, dass der sportliche Weg der richtige ist. Und das zu machen, zieht dich noch mehr in den Dreck. Du verlierst die Motivation. Ich habe das selbst erlebt in meiner Zeit als Selbstständiger. Früher war ich als Fliesenleger viel unterwegs, habe viel Sport gemacht und darauf geachtet, was ich esse. Ich habe gut ausgesehen, zumindest fand ich, dass ich gut aussah, wenn ich in den Spiegel geschaut habe.

Dann kam eine Phase, in der ich in die Selbstständigkeit eingestiegen bin und in ein Loch gefallen bin. Ich habe viel gearbeitet und abends oft Pizza, Tiramisu und Cola gegessen. Irgendwann habe ich mich selbst nicht mehr erkannt – ich hatte Pickel an Stellen, wo ich nie welche hatte. Es mag komisch klingen, aber ich wusste, dass das von dem ganzen Junkfood kam und weil ich keinen Sport mehr gemacht habe. Ich hatte mich total verloren. Oft habe ich gedacht: “Ich habe keine Zeit dafür.“

Ich bin an Spiegeln oder Schaufenstern vorbeigelaufen und habe mir gedacht, wie weich ich aussehe. Dann bin ich zurückgelaufen und dachte: „Das kann nicht sein, ich habe einen riesigen Bauch bekommen.“ Ich war nicht hässlich, aber ich war unzufrieden mit mir. Das war der Moment, in dem ich wusste: Ich muss wieder mit dem Sport anfangen. Als ich dann wieder mit Sport und einer besseren Ernährung begonnen habe, hat sich mein Leben verändert. Ich bin ganz anders aufgestanden, meine Haut wurde besser, und ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, auf meinen Körper zu achten. Ich habe verstanden, dass die schlechten Nahrungsmittel und der Lebensstil dich kaputtmachen. Das beeinflusst nicht nur deine Motivation, sondern auch deine Kreativität und dein allgemeines Wohlbefinden. Es geht nicht nur um die Optik, sondern auch um die Psyche. Wenn du das Gefühl hast, keinen Sport machen zu können, weil du dich zu dick fühlst, rutschst du schnell in eine Depression. Du beginnst, dich wie ein Loser zu fühlen, weil du das Gefühl hast, nichts zu können. Dabei ist es wichtig, trotzdem mit dem Sport anzufangen – auch wenn du denkst, es funktioniert nicht. Sich gut zu bewegen, bedeutet nicht nur, dünn zu sein oder gut auszusehen. Es gibt viele Menschen, die ein paar Kurven haben und trotzdem mit sich selbst im Reinen sind. Sie stimmen nicht nur mit ihrem Körper, sondern auch mit ihrem Kopf überein und sind dadurch attraktive Menschen.

Für mich ist Attraktivität eng mit dem Selbstwertgefühl verbunden. Du kannst trainiert sein, einen Sixpack haben und perfekt gepflegte Haut, aber wenn du keine glückliche Seele hast, wird dich niemand ernst nehmen. Selbstzufriedenheit ermöglicht es dir, viel mehr zu erreichen als nur ein schönes äußeres Erscheinungsbild. Es ist wichtig, mit sich selbst zufrieden zu sein.

Es gibt auch Leute, die mit sich unzufrieden sind, die sich einen Porsche 911 leisten können und damit durch die Gegend fahren. Nach außen wirken sie erfolgreich und attraktiv, aber oft haben sie innere Blockaden. Manchmal tut man ihnen einfach leid, weil sie trotz ihres äußeren Erfolgs mit sich selbst kämpfen. Ich finde, die Schönheit fängt in der Seele an. Wenn du mit dir selbst zufrieden bist und eine positive Einstellung hast, strahlst du das aus. Wenn du dann auch noch sportlich bist und deinen Kopf in den Reinen hast, wirst du zu einem attraktiven Menschen. Es spielt dabei keine Rolle, ob du optisch dem gängigen Schönheitsideal entsprichst oder nicht; deine Ausstrahlung wird es trotzdem tun.

Eva: Ja, genau! Wenn jemand einen gut sitzenden Anzug von dir trägt, gut trainiert ist und eine gute Haltung hat, ist das sehr ansprechend. Das Trainieren ist nicht immer nur eine Frage des äußeren Erscheinungsbildes. Es geht auch darum, wie jemand dasteht und ob er aufrecht geht. Ein schönes Lächeln und eine innere Zufriedenheit sind genauso wichtig. Wie du schon gesagt hast, es kommt alles von innen.

Raimar: Das ist großartig! Ich kann wirklich von Herzen danken, dass ich ein Konzept habe, das funktioniert. Nur Menschen, die mit sich selbst im Reinen sind, kommen zu mir zum Einkaufen. Jeder, der bei mir kauft, tut das für sich selbst. Das Wichtigste ist die Geschichte dahinter. Meine Kunden sind bereits so weit, dass sie sagen: „Ich kaufe mir das, weil es mich glücklich macht.“ Das macht meine Marke besonders. Sie strahlen Selbstbewusstsein aus und erzählen anderen von ihren Erfahrungen – „Schau mal, was ich bei Raimar gefunden habe.“ Diese Menschen fallen auf; sie haben Ausstrahlung und Selbstwert. Das bedeutet nicht, dass du keinen Selbstwert hast, wenn du Markenkleidung trägst. Aber oft ist es so, dass viele, die Markenklamotten tragen, in Wirklichkeit Aufmerksamkeit von anderen suchen, weil sie sich selbst in der Gruppe nicht richtig finden. Ihre eigene Stärke scheint nicht auszureichen. Viele tragen ein Gucci-T-Shirt in der Hoffnung, Anerkennung zu bekommen, während sie innerlich vielleicht sehr traurig sind.

Der Sport hilft mir, die Klarheit in meinem Kopf zu finden und dann meine eigenen Werte zu finden

Raimar: Viele sagen vielleicht: “Ich bin jetzt kein Topmodell, aber ich fühle mich wohl, so wie ich bin.“ Das ist für mich völlig in Ordnung, denn jeder Mensch ist anders. Die Frage ist immer: Wie sieht ein “Topmodell“ aus? Das ist eine Ansichtssache. Ich kenne Kumpels, die anders aussehen und bei Frauen viel besser ankommen. Das ist eine bestimmte Vorstellung und Optik, die ich auch feiere, weil es meine Homies sind. Ich bin nicht neidisch, denn ich bin einfach so, wie ich bin, und ich hoffe, dass das akzeptiert wird. Genauso akzeptiere ich auch andere Menschen. Nur weil jemand mega gut aussieht, bedeutet das nicht automatisch, dass er auch einen tollen Charakter hat oder sich gut fühlt. Ich weiß nicht, ob du das kennst: Man trifft jemanden und denkt sich: “Wow, der sieht nicht gut aus.“ Doch wenn man ihn näher kennenlernt, merkt man plötzlich, dass er total cool und sympathisch ist. Das Äußere wird dann unwichtig, weil das Innere strahlt. Viele meiner besten Freunde waren anfänglich nicht unbedingt die, die man als „attraktiv“ bezeichnet, aber ihre Persönlichkeit hat sie für mich sehr attraktiv gemacht.

Eva: Ja, das stimmt. Wenn du dich mit jemandem gut unterhalten kannst oder er ein schönes Lächeln hat, kommt das Innere heraus, und dann wird die Person schön.

Raimar: Genau! Ich hoffe, dass jeder an sein Selbstbewusstsein glaubt und weiß, wo sein Herz und seine Stärken liegen. Das gilt nicht nur in der Liebe, sondern auch im Beruf und im Sport. Es ist wichtig, sich nicht abbringen zu lassen, an seinem Herzen zu arbeiten und letztendlich Erfolg zu haben.

Eva: Ja, das waren doch schon die Abschlussworte. Danke dir für deine Zeit.

Raimar: Danke dir und sorry für das viele “Gequassel“.

 
 

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